Offenes Arbeiten – Fluch oder Segen?

 

Ich glaube es gibt im Bezug auf die pädagogische Ausrichtung einer Kita wenige Konzepte zu denen es so kontroverse Ansichten gibt.

Was steckt eigentlich hinter Offener Arbeit?

Ursprünglich ist Offenes Arbeiten entstanden als Abkehr von der traditionellen Kita-Pädagogik, mit dem Ziel Kindern mehr Selbstbestimmung in der Alltagsgestaltung zu ermöglichen.

Kita der Kinder statt Kita für Kinder. Angelehnt an den Gedanken dass Menschen sich immer selbst bilden, ist die Überzeugung entstanden, dass wir Kindern nur beibringen können wozu sie selbst eine eigene innere Bereitschaft entwickelt haben.

Wie tankst Du dein Glück wieder auf?

Das kompetente Kind

Dieses Bild vom kompetenten Kind ist mittlerweile Bestandteil der Bildungspläne der einzelnen Bundesländer. Und aus meiner Sicht völlig richtig und unumgänglich.

Denn auch ich als Erwachsene möchte nur lernen, wofür ich mich begeistere und ich bin davon überzeugt, dass Kinder gerade in der heutigen Zeit unbedingt den Zugang zu ihren Interessen und Fähigkeiten benötigen.

  • Nur was bedeutet das denn in der Praxis?
  • Wie können Kinder sich selbst bilden und wie können wir Erwachsene gelungene Rahmenbedingungen schaffen?
  • Und braucht man dafür Offene Kitas oder eben gerade nicht?
  • Wieviel Verantwortung kann ein Kind für sich übernehmen?
  • Das sind die zentralen Fragen, denen wir nachgehen müssen, wenn wir Kinder gut ins Leben begleiten wollen. Denn Kinder können nur die Freiheiten für sich und ihr Lernen nutzen, die sie auch verarbeiten können. Sonst wird aus Selbstbestimmung Überforderung.

 

Eine veränderte Form des Zusammenlebens

Offenes Arbeiten darf deshalb keinesfalls grenzenlos sein, sonst entsteht eine antiautoritäre, laisser-faire Pädagogik.

Wenn das passiert entwickeln sich Kitas zu Häusern, in denen gefühlt das Chaos regiert. Jeder – egal ob groß oder klein macht was er oder sie will.

Und auf Nachfrage wird auf das Konzept und die Offenheit für alle Meinungen verwiesen. Das sind die Kitas, die dazu beigetragen haben, dass der Begriff „Offenes Arbeiten“ bei vielen Menschen zu inneren Verspannungen führt.

 

Offene Arbeit ist mehr als nur offene Türen

Dabei ist Offenes Arbeiten soviel mehr als das Öffnen der Türen und soviel mehr als das Einrichten von Funktionsräumen. Offenes Arbeiten meint eine veränderte Form des Zusammenlebens zwischen Erwachsenen und Kindern.

Teams, die erfolgreich und auf einem hohen pädagogischen Niveau zusammenarbeiten, orientieren sich in ihrer Arbeit an den Bedürfnissen der einzelnen Kinder.

Das bedeutet „gutes“ Offenes Arbeiten ist immer bedürfnisorientiertes Arbeiten und erfordert vom pädagogischen Personal die Offenheit zu bemerken, welche Unterstützung welches Kind zu welchem Zeitpunkt benötigt und wie diese gerade auch im institutionellen Kontext gewährt werden kann.

 

Ein Beispiel aus dem Alltag

Ein zweijähriges Kind, das nur mit Pampers bekleidet ist, nimmt die Gummistiefel und beginnt hineinzuschlüpfen. Auf die Nachfrage der Fachkraft, was es denn vor hat, zeigt es nach draußen.

Die Fachkraft schlägt vor, etwas anzuziehen, das Kind verneint und geht zur Tür. Draußen hat es sieben Grad. Das Kind betritt das Außengelände und geht ein paar Schritte.

Die Fachkraft lässt das Kind gewähren, folgt aber mit etwas Abstand und beobachtet das Kind. Nach kurzer Zeit umgreift das Kind seine Arme, schüttelt sich und schaut zur Fachkraft.

Diese fragt nach, ob dem Kind kalt sei und bietet an, ihm beim Anziehen behilflich zu sein. Die beiden gehen nach drinnen, das Kind zieht sich mit Unterstützung an und geht dann nach draußen.

 

Die antiautoritäre Lösung

In der antiautoritären Erziehung wäre das Kind alleine nach draußen gegangen und hätte ohne Begleitung die Erfahrung gemacht, dass es kalt ist. Ob das Kind den Weg nach drinnen wieder gefunden hätte und von selbst seine Kleider angezogen hätte, wissen wir nicht.

Unter Umständen hätte das Kind draußen gefroren oder wäre wieder rein gelaufen und hätte dann eben drinnen gespielt.

 

Die autoritäre Lösung

In der „autoritären“ Erziehung hätte das Kind keine Möglichkeit bekommen, selbst die Erfahrung zu machen und hätte von Haus aus etwas anziehen müssen, um rausgehen zu können.

 

Offenes Arbeiten ist dann ein Segen, wenn es bedürfnisorientiert ist

In der bedürfnisorientierten Pädagogik bekommt das Kind die Möglichkeit eigene Erfahrungen im Rahmen seiner Fähigkeiten zu machen. Die Fachkraft erfährt durch achtsames Beobachten genau, an welcher Stelle das Kind Unterstützung benötigt und bietet diese an. Das Kind darf sich folglich ausprobieren, ohne überfordert zu werden.

Dabei höre ich schon die zahlreichen Stimmen, dass das ja bei so vielen Kindern in der Gruppe gar nicht möglich sein kann. Und hier lehrt mich die Erfahrung – nun schon seit vielen Jahren – das Gegenteil:

Bedürfnisorientierte Pädagogik funktioniert wunderbar – wenn wir Erwachsenen aufhören Kindern unsere Erwartungen oder Vorstellungen überzustülpen. Wenn wir aufhören, zu wissen, was Kinder lernen müssen.

Und wenn wir aufhören, zu denken, dass das Leben nicht immer nur Spaß machen kann und dass Kinder eben lernen müssen auch mal Dinge zu tun, auf die sie keine Lust haben. Wenn wir anfangen, darauf zu vertrauen, dass Kinder sich selbst bilden.

Genau wie beim Laufen lernen: Keiner von uns kann Kindern laufen beibringen. Das müssen sie aus sich heraus erlernen. Obwohl es wirklich schwierig ist, schaffen es alle „gesunden“ Kinder. Warum sollte das später im Leben denn anders werden?

 

Ist es immer einfach den Kindern zu vertrauen?

Nein auf gar keinen Fall! Denn damit müssen wir Kindern Freiräume zugestehen, die viele von uns als Kind selbst nicht erlebt und erfahren haben. Natürlich stolpert der ein oder andere dann immer wieder über sich selbst.

Und das ist in Teams, die gemeinsam bedürfnisorientiert arbeiten so fantastisch – dass dann erwachsene Menschen gemeinsam weiter wachsen, sich gegenseitig unterstützen und zusammen eine liebevolle Atomsphäre für große und kleine Menschen in Kitas erschaffen!

Übrigens basieren all unsere Fachkraft – Weiterbildungen auf der bedürfnisorientierten Pädagogik. Und wenn du Lust hast hier tiefer einzusteigen, dann melde dich gerne an – für die Termine in Montabaur oder – falls das zu weit von dir weg ist – natürlich auch gerne für eine Online – Weiterbildung.

Wir wünschen dir eine wunderschöne, vertrauensvolle Woche und alles Liebe für dich!

Lass dein Glück strahlen!

Danke 🙂

…dass du dir die Zeit genommen hast, meinen Artikel zu lesen.

Hat er dir gefallen? Hast du eigene Erfahrungen dazu, oder eine Frage? Dann schreib´ uns hier in die Kommentare, das würde mich riesig freuen!

Und denk immer daran: Wenn die Erzieher glücklich sind, geht es den Kindern gut. Und gemeinsam schaffen wir eine Welt, in der es sich zu leben lohnt!

Ich wünsche Dir noch einen wunderschönen Tag! – Lass Dein Glück strahlen!

unterschrift-uli

0 Kommentare

Trackbacks/Pingbacks

  1. Wie Offenes Arbeiten in der Kita gelingen kann - […] Hier mein Blogartikel: Offenes Arbeiten – Fluch oder Segen? […]

Einen Kommentar abschicken

Bild: © Bernd Bott

Mein Buch „Stressfrei und gelassen“ kannst du hier bestellen:

Und hier geht´s zum einzigen deutschen Podcast für pädagogische Fachkräfte:


Let the sunshine…

Let the sunshine…

Let the sunshine  Hallihallo und herzlich Willkommen zum Artikel von dieser Woche!  Heute einfach mal ganz kurz 🙂  Heute gibt es mal ein Foto für dich zum Lachen 🙂   Für unser neues Projekt, von dem wir dir baaald erzählen, hatten wir gestern ein...

mehr lesen
Wenn der Fehler im System liegt

Wenn der Fehler im System liegt

Wenn der Fehler im System liegt   Hallihallo und herzlich Willkommen zum Artikel von dieser Woche!    Wie Stress im Alltag entsteht Ich habe ja schon oft darüber geschrieben, wie Stress entsteht. Aus den Erfahrungen der letzten Woche, möchte ich heute...

mehr lesen
Und was ist mit meinen eigenen Bedürfnissen?

Und was ist mit meinen eigenen Bedürfnissen?

Und was ist mit meinen eigenen Bedürfnissen?   Hallihallo und herzlich Willkommen zum Artikel von dieser Woche!  Schön, dass du wieder dabei bist und danke für all eure Kommentare und Mails zum letzten Artikel. Über Ostern haben wir uns als Familie eine...

mehr lesen
Wie du deine Kräfte schonen kannst

Wie du deine Kräfte schonen kannst

Wie du deine Kräfte schonen kannst Hallihallo und herzlich Willkommen zum Artikel von dieser Woche!
 Jetzt hat mich doch tatsächlich diese Woche die Grippe auch gestreift - und zum Glück nur „gestreift“ ?und ich nehme das zum Anlass einen weiteren Aspekt...

mehr lesen